William Gibson: Neuromancer. Übersetzt von Reinhard Heinz. München: Heyne, 1987.
Wann ich mir die deutschsprachige Ausgabe von Neuromancer gekauft habe, weiß ich nicht mehr genau. Da ich kein besonders großer Science-Fiction-Fan bin, hing der Kauf wohl auch irgendwie mit meiner Entdeckung der Internetkultur und des Wortes Cyberspace zusammen - also vermutlich irgendwann Mitte der 1990er Jahre. Später habe ich dann auch eine Ausgabe in der Originalsprache gekauft, mit der Absicht, sie zu verschenken. Die Ausgabe steht aber auch noch immer in meinem Bücherregal. Also beschließe ich, die deutsche Übersetzung - garniert mit ein paar Kleinigkeiten - als Schrottwichtelgeschenk in "Umlauf" zu bringen. Vor dem Verpacken treffen die beiden Ausgaben noch kurz zusammen.
Neuromancer trifft Neuromancer (und ein paar andere kleine Dinge). Foto: A. Ghoneim
Vor dem Verpacken habe ich die deutschsprachige Ausggabe - natürlich - nochmals gelesen. Es ist immerhin schon einige Jahrzehnte her, dass ich die Geschichte von Case, dem kaputten Hacker, der über einen Auftrag wieder fit genug gemacht wird, sich in den Cyberspace einzustöpseln, gelesen habe.
Genial an der deutschen Ausgabe sind die Fußnoten mit Erklärungen des Übersetzers. Hier ist ein Beispiel, in dem die KI Wintermute das erste Mal auftritt. Sie gibt offensichtlich Aufträge an den Auftraggeber von Case und Molly.
Damien G. Walter bezeichnet Neuromancer als "the best science fiction novel ever written", und das im Jahr 2020, also etliche Jahrzehnte nach dem Erscheinen. Er nennt den Roman auch "a truly cinematic novel". Spannenderweise wurde das Buch allerdings bisher nicht verfilmt, wenngleich Apple TV offensichtlich eine Serie auf Basis des Romans dreht.
Zurück zur Handlung: Case und seine Partnerin Molly arbeiten im Auftrag von Armitage, der von der KI Wintermute gesteuert wird. Was will Wintermute? Erst gegen Ende des Romans zeigt sich: Wintermute will mit Neuromancer verschmelzen. Neuromancer ist auch eine KI, hat aber mehr Persönlichkeit als Wintermute und ist gegen die Fusion. Beide KI-Charaktere schafften es unter anderem in einen Literaturkurs von 2015. Haerin Shin, damals Lehrende der Vanderbilt University, zeigt darin auf, dass beide KIs über Manipulation arbeiten.
Nichtsdestotrotz werden Case und Molly nach getaner Arbeit gut bezahlt und können sich so frei bewegen, wie dies in Gibsons Sci-Fi Welt eben möglich ist.
Den Roman bekam Fabian. Besonders gefreut hat mich, dass sich ein anderer Kollege auch gleich für das Buch interessiert hat.
Mich hat "Neuromancer" dazu gebracht, gedanklich wieder einmal in die Welt von Turing-Tests (die gibt es seit 1950, hier der Artikel von Turing selbst), Chatbots (ich zähle Eliza auch dazu, sie wurde in den 1960er Jahren entwickelt) und Co einzutauchen. Ich sehe die neueren Entwicklungen rund um KI-Tools wie ChatGPT weiterhin gelassen, wenngleich diese Tools den Turing-Test nun bestehen können.
Verfasserin: Andrea Ghoneim
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