Cyberspace und Belletristik am Badestrand

Klaus Bartels: Wie der Steuermann im Cyberspace landete. 77 neue Wortgeschichten. Darmstadt: Primus 1998.

Dieses Buch hat eine Widmung von 1999. Mein Schweizer Freund Willi, den ich auf einem Bibliothekarstag kennengelernt hatte, hat mir das Buch zu einem Treffen in Wien mitgebracht.

Wahrscheinlich las ich gleich dann eine oder zwei der "Wortgeschichten" von Klaus Bartels. Sicher bin ich nicht. 77 solche Geschichten enthält das Buch. Sie sind etymologisch gut fundiert und mit Beobachtungen und Anekdoten lesenswert angereichert. Aber sie sind kurz und viele - und als Bettlektüre fast zu intellektuell. Nun nahm ich sie mit an den Faaker See (Baško jezero).


Urlaubslektüre sonnt sich am Faaker See. Foto: A. Ghoneim

Am Faaker See bin ich allerdings dann so viel gewandert, dass ich gar nicht genug Zeit am Seeufer verbrachte um viel zu lesen. Ein paar der Texte aus Handkes "Phantasien der Wiederholung" sind sich ausgegangen, so las ich unter Erlen folgende kleine Meditation:

Peter Handke: Phantasien der Wiederholung, S. 27

Aber zurück zur Frage, wie der Steuermann im Cyberspace landete.

Im altgriechischen heißt "kybernétes" Steuermann - und "[...] aus dem griechischen kybernán für das »Steuern« eines Schiffes [...] ist ein lateinisches gubernare geworden." (S. 41) Damit kommen wir scheinbar also nicht so recht weiter, wenngleich Bartels eingangs meint: "Immerhin hat der Cyberspace selbst einen Herkunftsort oder sogar zwei: Athen und Rom." (S. 41) Aber es gibt ja noch den "-space" in Cyberspace, der aus dem lateinischen "spatium" stammt,

"der »Raum« und weiter das raumgreifende spatiari, das »Spazieren«-Gehen. Cyberspace-Weltenbummler freilich sind schon um jenes griechischen kybernétes und seines nassen Elementes willen nicht Spazier-»Gänger«, sondern Spazier-»Surfer«: Steuerkünstler auf dem achten Weltmeer, dem der Info-Wellen." (S. 42)

So kann man es also (auch) sehen. Ich gebe zu, mich mehr in gegenwärtigen Welten und Literaturen aufzuhalten. Bis dato hätte ich immer William Gibson für den "Erfinder" des Cyberspace gehalten, da dieses Wort erstmals in seinem Roman Newromancer zu finden war. Wobei ich nicht ausschließen möchte, dass Gibson aus dem Griechischen und Lateinischen schöpfte.

In Lektüre-Zeitnot geraten, las ich in meiner letzten Nach am Faaker See doch noch im Bartels-Buch, und zwar den Text über "Belletristik", worüber ich fast einschlief. Das hatte allerdings nicht mit der Qualität des Textes zu tun, sondern mit meinen bewegten Tagesbeschäftigungen, diesfalls mit einem Ausflug zum Zitrusgarten in Faak am See. Dem Text zur Belletristik entnehme ich, dass ich bei diesem Begriff besser an "Bellettristik" denken sollte, denn in der üblichen Schreibweise sieht man dem Wort "die darin verwursteten litterae, die lettres, die Literatur kaum mehr" an. Die belles lettres aus dem Französischen erwähnt Bartels, und auch, dass das "istik" am Schluss gräzisierend zu dem Wort dazuerfunden wurde. (S. 29/30)

Nun sitze ich ein letztes Mal am Faaker See, am sehr schönen Privatstrand meiner Pension, an dem auch meine Urlaubsbücher posieren. Ich möchte eigentlich gern zum Buch mit den "Wortgeschichten" Adieu sagen, da es ja mein Ziel ist, Bücher auf die Reise zu schicken. Aber ich habe ja noch nicht alle Geschichten gelesen! Allerdings werde ich sie zu Hause vielleicht auch nicht lesen, oder jedenfalls nicht so bald. Und im Robert-Musil-Museum, das in Klagenfurt, also auf dem Heimweg, liegt, gibt es eine Literatur-Lounge und damit eine schöne Möglichkeit, dass die "Wortgeschichten" mehr Leser*innen finden. Das hätten sie verdient.

Ich ging dann doch noch einmal schwimmen. Als ich in Klagenfurt ankam und das MusilMuseum besuchen wollte, stellte sich heraus, dass ich auf den Literaturkurs vergessen hatte, der im Vorfeld des Ingeborg-Bachmann Wettbewerbs (recte: Tage der deutschsprachigen Literatur) stattfindet, und zwar im Musilmuseum. Die Abgabe eines Buches war nicht möglich, aber ich erhaschte einen Blick auf den Literaturkurs.

Nun bleibt für mich die Frage offen, ob ich nochmals nach Klagenfurt fahre oder das Buch ganz allein dorthin reisen lasse - per Post.

Verfasserin: Andrea Ghoneim

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