Joseph Kessel. Belle de Jour. Gallimard: ohne Ort 1989.
Es ist Winter und wir fliegen nach Frankreich, nach Nizza. Von dort fahren wir mit einem Auto nordwärts, dann wieder südwärts. Da wir Sehenswürdigkeiten besichtigen, in Städten und auf dem Land spazieren und herumfahren, bleibt nicht viel Zeit für Lektüre. Außerdem hatte ich mir vorgenommen, wieder ein wenig das Lesen auf Arabisch auszuprobieren - und das nimmt bei mir viel Zeit in Anspruch. "Goha isst, aber er zahlt nicht" ist meine Buchstabieraufgabe.
Um Frankreich auch mit einem französischen Buch zu feiern, habe ich "Belle de Jour" von Joseph Kessel mitgenommen. Das Werk ist, wenn ich die Angaben im Buchinneren richtig interpretiere, erstmals 1928 erschienen. Eine Filmrezension gibt mir recht. Der Roman von Kessel wurde nämlich 1967 von Luis Buñuel verfilmt. Auch auf der hinteren Umschlagseite meiner Ausgabe wird zuerst auf den Film hingewiesen: "Un grand film de Luis Buñuel avec Catherine Deneuve" (U4)
Der Klappentext verrät nur ein klein wenig über den Autor: Er sei Angehöriger der Académie française, in Argentinien geboren und hätte russische Eltern. Einige seiner Werke werden auch genannt. Wikipedia ist ausführlicher, fokussiert auf Kessels Tätigkeit als Journalist, zeigt aber auch auf, dass einige seiner Prosawerke verfilmt wurden und dass er auch Drehbücher geschrieben hat.
Das französische Buch schlummert während der kurzen Frankreich-Reise in meiner Reisetasche, während das Goha-Heft es immer wieder auf ein Fensterbrett, einen Frühstückstisch, ein Nachtkästchen schafft - so, wie im L'Azimut in Senez.
Goha in Senez. Bild: A. Ghoneim
Am Ende der Reise ist allerdings eine gute Flughafen- und Fluglektüre wichtig, und hier kommt "Belle de Jour" wie gerufen. Im Vorwort schreibt Kessel, er möge keine Vorwörter, die Bücher erklärten. Er weist aber auch darauf hin, dass das Buch zu oft wie eine Fallstudie gelesen worden sei. Das möchte er nicht. Er möchte von Séverines Liebe zu Pierre erzählen und von der Tragödie dieser Liebe. Als eine Art Captatio Benevolentiae wird daraufhin in einem kurzen Prolog ein Missbrauch der achtjährigen Séverine durch einen Handwerker beschrieben. Am Ende will sie selbst glauben, dass sie auf dem langen Korridor ihres Elternhauses ausgerutscht ist, wo sie - offensichtlich ohnmächtig - gefunden wurde.
Nun beginnt der Roman, mit Tempo, und mit wunderschönen Bildern: Séverine und ihr Ehemann, Pierre Sérizy, sind auf Winterurlaub in der Schweiz, genießen Sport und die Winterlandschaft und auch ein wenig das gesellschaftliche Leben. Séverine und Pierre lieben einander, aber sie schlafen in getrennten Betten.
Belle de Jour is a novel by French author Joseph Kessel, published in 1928 by Gallimard [1]. The story follows the life of Sévérine Serizy, a 23-year-old woman who is married to a surgeon but is unable to find sexual fulfillment in her marriage [2]. To satisfy her desires, she begins working as a prostitute at a brothel during the day while maintaining her respectable lifestyle at home [3].The film adaptation of Belle de Jour (1967) stars Catherine Deneuve as Séverine and Jean Sorel as Pierre. It follows the same plot as the novel, exploring themes of fantasy, memory, and reality [4]. In the end, Séverine must choose between her two lives: one of respectability and one of pleasure [5]. (https://www.perplexity.ai/?s=c&uuid=d50b1203-1b3f-4840-9ff4-c7ec4a661585, Kursivierung durch AG)
Ich hatte beim Verfassen dieses Blogbeitrags natürlich auch recherchiert, aber durch eine solche Anfrage kann ich nochmals neue Quellen finden. Dabei prüft die AI allerdings (noch) nicht auf Qualität/Zitierfähigkeit und ist auch selbst nicht immer ganz zuverlässig.
Am Ende vermengt die AI möglicherweise den Film (den ich nicht gesehen habe) und den Roman: Séverine muss sich nicht zwischen den beiden Leben entscheiden. Die Entscheidung, Husson durch Marcel ermorden zu lassen, soll eine Enthüllung ihres Doppellebens verhindern. Doch der Plan wird ganz anders verwirklicht, als Séverine sich das vorstellt: Ihr Mann Pierre verhindert den Mord an Husson und kommt dadurch selbst fast ums Leben. Vom Bauchnabel an abwärts gelähmt, muss sich Pierre nun von seiner Frau pflegen lassen. Und Séverine gesteht ihm am Ende auch noch alles. Der Erzähler selbst fragt sich, wie man sich das erklären solle. Er stellt noch einige Spekulationen an, aber es gibt wohl ebensowenig eine Antwort wie es für das Paar, das in den Süden Frankreichs zieht, einen Ausweg gibt. Und so endet der Roman:
"Trois ans ont passé, Séverine et Pierre vivent sur une petite plage, trés douce. Mais depuis qu'elle lui a fait son aveu, Séverine n'a plus entendu la voix de Pierre." (S. [177])
Und was wird aus dem Buch? Wer könnte es mögen? Ich werde es wieder einmal einem öffentlichen Bücherschrank anvertrauen, diesmal einem in der Josefstadt.
Verfasserin: Andrea Ghoneim
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